Die Jury des Siegfried Lenz Preises 2024 zeichnet mit Claire Keegan eine große europäische Erzählerin aus. Ihr Werk, das 1999 mit der Kurzgeschichtensammlung Wo das Wasser am tiefsten ist einsetzte, zeichnet sich durch eine meisterhafte sprachliche Verknappung aus, die ihrer Prosa Dichte verleiht und dem Ausgesparten so viel Bedeutung wie dem Erzählten zuspricht. Keegans Figuren, die zumeist fest verknüpft sind mit Irland und seiner Geschichte, leiden unter Verlusten, unter einer Einsamkeit, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Das Verschwiegene und Verdrängte hat sich in ihnen eingenistet, und dennoch verharren Keegans Erzählungen und Romane, in denen jedes Wort mit Bedacht gesetzt ist, nie in Hoffnungslosigkeit.
Claire Keegan blickt in ihren präzise durchgearbeiteten Texten auf das, was es heißt, ein Mensch zu sein und sich allen Fährnissen des Lebens entgegenzustemmen.
Hamburg, den 4. Oktober 2024